""  Plan X"

 

Zu der Zeit, als David noch lebte, waren wir eine Gruppe von vier Leuten, welche zu einer eingeschworenen Gemeinschaft wurde. Ständig sahen wir uns chaotischen Zuständen gegenüber, da ja Jeder seine eigene Meinung hatte und diese auch vehement vertrat. Es war nicht immer ganz einfach, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Wir fingen an, Pläne zu schmieden, welche unseren Tag halbwegs ordneten. Als mein Ausbildungsbetrieb in Konkurs ging und ich monatelang kein Geld sah, kam David auf die Idee, den "Plan X" ins Leben zu rufen. Dieser Plan sah vor, dass alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, finanziell wie auch materiell, geteilt werden sollten, um eventuelle Schwierigkeiten des Einzelnen zu mindern oder gar zu unterbinden. Was im Einzelnen hieß: Hätte einer in der Gruppe zum Beispiel einen Unfall mit seinen Auto gehabt, hätte er im Notfall auf die Fahrzeuge der Gruppe zurückgreifen können, oder wie in meinem Fall hätte ich auch eine finanzielle Unterstützung der Gruppe in Anspruch nehmen können. Ich tat es nicht, denn irgendwie wollte ich da alleine durch, was mir auch gelang. Nach Davids Tod brach die Gruppe langsam auseinander und "Plan X", der nie zum Einsatz kam, verstaubte in der letzten Ecke meiner Gedanken. Nur durch einen Zufall dachte ich wieder an diesen Plan und an die Möglichkeiten, die er bot

 

 Die letzte Woche im Dezember, ich war unterwegs in den Weiten des WWW und las mir dort mein Horoskop für 2006 durch. Ich dachte an David, da er ja das gleiche Sternzeichen hatte, wie ich. Widder, vom 21.03. bis zum 20.4. Ich dachte an die schöne Zeit, die wir miteinander hatten, was wir erlebt hatten und auch an die Pläne, die wir schmiedeten. Mir fiel "Plan X" wieder ein und plötzlich, wie aus dem Nichts, schoss mir der 24. 03. 1986 durch den Kopf, der Geburtstag meines kleinen Freundes. Er ist auch ein im Sternzeichen Widder Geborener. Ich bemerkte, dass wir mehr gemeinsam haben, als das, was uns unterscheidet. Es würde mich auch nicht wundern, wenn wir die gleiche Blutgruppe hätten. Nachdem diese Gedanken noch eine Weile in meinem Kopf umherzogen, wusste ich, was zu tun ist. Ich schmiedete "Plan X". Es ist mit Abstand der heftigste Plan, der je meine Gedankenwelt verlassen hat, denn er entscheidet über Leben und Tod meines kleinen Freundes und könnt im Ernstfall mein eigener Tod sein. Der Grundgedanke, die verfügbaren Ressourcen zu teilen, blieb bestehen. Nur um meinen kleinen Freund zu retten, muss dieser Plan tiefer gehen, viel tiefer, bis in die Tiefen meiner eigenen Existenz. Nach reichlichen Überlegungen und nach Abwägung aller Konsequenzen, kam ich zu dem Entschluss, im äußersten Notfall meinem kleinen Freund einen Teil meiner eigenen Leber zu spenden. Zahlreiche Untersuchungen kommen auf uns zu, wenn es an der Zeit ist. Tausende Gespräche mit Psychologen und der Ethikkommission bis es überhaupt zur OP kommt. Ich kann mir vorstellen, liebe Freunde, dass Euch jetzt etwas der Schock packt. Nicht nur Euch, auch meinem kleinen Freund fiel das Kinn nach unten, als ich ihm diesen "Plan X" vorlegte. Er sagte nur einen Satz: "Du bist komplett verrückt, so was würde nicht einmal mein Vater für mich tun!" Sicher, ich muss ihm da Recht geben, es ist verrückt, aber so bin ich nun mal. Ich muss Euch wohl nicht an das 9-Meter-Schiff erinnern, welches ich im Begriff bin zu bauen, oder? Es ist mir nur wichtig, dass er weiß, dass es im Notfall einen Plan gibt, der ihm das Leben retten kann und es ist auch mir wichtig, das zu wissen.

 

Es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Es hat in meinem Leben immer einen Plan gegeben. Ging der daneben, gab es immer einen "Plan B", einen "Plan C" und so weiter, bis es schlussendlich funktionierte. Für meinen kleinen Freund gibt es nur diesen einen Plan und der muss funktionieren, es geht hier um Leben und Tod...

 

 

                     

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