Das Innere Leben...

 

Hattet Ihr schon einmal das Gefühl großen Hunger zu haben und dennoch habt Ihr keinen Bissen heruntergebracht? Selbst der Gedanke an ein Stück trockenes Brot erzeugt in Euch Ekel und Abscheu. Ist es dann wirklich Hunger? Oder ist es etwas Anderes, was sich vor Schmerz in Euch windet? Stumme Schreie durchziehen Euren Körper, während Ihr im selben Moment einen Stich im Herzen fühlt. Zehn Minuten, dann ist es vorbei. Vielleicht ist uns etwas auf den Magen geschlagen - das Steak von heute Mittag? Oder die viele Schokolade? Wer weiß. Die Sinne werden uns wohl einen Streich gespielt haben, aber was ist mit dem, was Jenseits des Sinnlichen liegt? Das Übersinnliche? Da wo Wut entsteht, Trauer und Verzweiflung verborgen und das Glück definierbar ist, ist noch etwas - etwas, was an Größe und Stärke kaum zu überbieten ist, und dennoch so verwundbar und zerbrechlich. Ein winziges Staubkorn reicht oft aus und es zerfällt in abertausende Splitter. Ein Jeder hat es, einige wissen es, die wenigsten glauben daran und kaum einer kümmert sich darum. Dabei ist es doch so wichtig. Gerade in unserer hektischen Zeit, wo sich alles nur noch um's Geld dreht. "Zeit ist Geld" sagt man. Verschwendet man Zeit, verschwendet man Geld, gewinnt man Zeit wird wohl das Geld auch nicht weit sein. Was ist aber mit dem, der sich Zeit nimmt, selbst wenn er sie nicht hat? Er wird etwas bekommen, das sich durch keine materiellen Werte ersetzen lässt. Innere Stärke und Ruhe, Gelassenheit und das Gefühl der Unverwundbarkeit. Es ist das Wunder der Seele. Wann habt Ihr das letzte Mal geweint? Ihr wisst es nicht? Ihr seid nicht allein. Ich selbst kann mich nicht mehr daran erinnern. Früher wurde mir immer gesagt: "Ein starker Indianer weint nicht..." was ich auch glaubte, selbst zu dem Zeitpunkt, als ich als Vierjähriger mit meinem Dreirad die zehnstufige Treppe zum Keller hinabfuhr. Mein schmerzverzerrtes Gesicht hätte ich gern gesehen, als meine Oma die Schürfwunden und Schwellungen verarztete. Aber ich blieb eisern, keine Träne floss und doch tat es so weh. Später gab es noch ein Eis, weil ich so tapfer war. Doch was ist mit unserem inneren Schmerz, dem Schmerz der Seele? Wer lindert ihn? Oma? Ist es nicht das Meer der Tränen, welches den Schmerz von unserer Seele nimmt, aufdass sie wieder atmen kann? Obliegt es nicht in unserer Schuldigkeit ihr gegenüber, sie zu schützen und zu bewahren?

Jede Träne hilft, jedes Lachen heilt und jeder Freund gibt ihr die Stärke, die sie brauch. Ich habe meine besten Freunde auf tragische Weise verloren und meine Seele ihre Kraft. Das Feuer erlosch und in mir wurde es kalt - eiskalt. Trauer und Verzweiflung beherrschten mich viele Jahre. Ich glaubte nicht mehr an meine Seele, doch habe ich sie nie ganz verloren. Ein kleiner Funke überdauerte in der Asche und entfachte ein neues Feuer, eine neue Kraft. Schwach ist sie, doch erschafft sie sich Werte, an denen sie Halt findet und daran wachsen kann. Umrankt wie ein Efeu die Ruinen der Vergangenheit und zeigt mir, dass es keine Schwäche ist, wenn man weint. Im Gegenteil, es ist die Stärke einer starken Seele. Sie steht uns jederzeit zur Seite, ein Leben lang, in guten und in schlechten Zeiten, in Trauer und Wut, in Verzweiflung und Freude. Sie definiert das Glück und macht uns zu dem, was wir sind. Sie "spricht" zu uns und wir hören es auch, nur verstehen wir es oft nicht. Sie ruft um Hilfe in nächtlichen Visionen eingehüllt in einen Traum unter vielen. Es bedarf manchmal großer emotionaler Ereignisse, bis wir erkennen, was wirklich in uns ist. Lasst Eure Gefühle frei, dann ist auch Eure Seele frei. Es mag verrückt klingen, doch hört in Euch hinein, dann werdet Ihr verstehen. Selbsterkenntnis braucht viel Zeit, aber sie kommt, wenn auch am Grab eines verstorbenen Freundes...

 

(C) Le Intoccabile 2005

 

 

                    

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