Aufbruch ins Leben...

 

Gestern habe ich wiedereinmal meinen kleinen Freund angerufen. Es wurde wieder ein Gespräch bis tief in die Nacht. Es war ein Gespräch, in dem es nicht (wie schon in so vielen) um Tod und Verzweiflung ging. Es ging um seine Träume, Sehnsüchte und Wünsche. Er fängt an, längerfristige Pläne zu schmieden, was mich wahnsinnig freut. Unsere ersten Telefonate waren niederschmetternd. Für meinen kleinen Freund war das Leben schon vorbei. Keine Perspektiven, keine Träume, keine Hoffnungen. Seine Gesundheit war am Boden, sein junger Körper zerstört, ein Greis mit 19 Jahren. Ich kann mich noch genau an diese erschütternden Gespräche erinnern. Seine verzweifelte Gleichgültigkeit, zu wissen, dass sein junges Leben bald enden wird und wie es enden wird. Die Ärzte haben ihm keine großen Hoffnungen gemacht. Er ist tief gefallen - und er hat mich mitgerissen. Ich wusste nicht mehr, was ich in dieser Situation sagen sollte. Eisiges Schweigen umgab mich, bis mich mein kleiner Freund fragte, ob alles in Ordnung bei mir sei, ich sei so ruhig. Ich sagte nur: "Ist schon o.k., kleiner Freund, ich versuche mir nur gerade das Schwert aus der Brust zu ziehen..." Und dann sagte er diesen einen Satz, der meine Welt für immer veränderte. "Ja, zieh's schnell raus, denn Du bist der Einzige, der mich jetzt noch retten kann, nur Du allein." Selbst jetzt, in diesem Moment, treibt es mir die Tränen in die Augen. Seine zitternde Stimme, diese Verzweiflung... Das war der Moment, in dem die "Mauer der Unberührbarkeit" in sich zusammenbrach.

Doch wie sollte ich meinen kleinen Freund retten und wo fange ich an? Ich wollte am Anfang einfach nur für ihn da sein, wenn er reden wollte oder mich brauchte. Später schleppte ich ihn überall mit hin. Weihnachtsmärkte, Bowlingabende, Billard, Kino... einfach nur, um ihn zu Hause rauszuholen und ihn auf andere Gedanken zu bringen. Seine "bescheidenen finanziellen Moglichkeiten" ließen solche Feierlichkeiten nicht, oder nur in einem verschwindend geringen Umfang zu. Dann folgten die 'Versorgungspakete', weil es für mich undenkbar war, dass mein kleiner Freund hungrig ins Bett geht und den ganzen Tag nichts weiter isst, als eine einzige Scheibe Brot. Und dann diese Gewissensbisse seinerseits... eigentlich verständlich, aber diplomatisch umgangen mit unserer Verbrüderung, denn jetzt bleibt das Geld ja in der Familie und es ist o.k. für ihn. Er sträubt sich auch nicht mehr so sehr gegen meine Hilfe und nimmt jetzt auch vieles einfach dankend an, ohne gleich an das Geld zu denken. "Plan X", na ja... wohl der größte Freundschaftsbeweis meines und seines Lebens, aber im Moment "nur" psychologische Kriegsführung. Ob notwendig oder nicht, er ist da und mein kleiner Freund weiß das. Er weiß auch, dass ich dazu entschossen bin, das im Ernstfall durchzuziehen. Er selbst will mich aber nicht für seine Fehler bluten lassen und daher kämpft er, nicht nur für sich, sondern auch für mich. Sein Alkoholkonsum ist beachtlich gesunken und auch sein Denken hat sich seither grundlegend geändert. Er hat Mut gefasst, Mut zum Leben und jeder seiner Erfolge, so klein manche auch sein mögen, sind ein gewaltiger Schritt für uns Beide. Es ist ein Aufbruch ins Leben...

 

                     

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